Medzev (Metzenseifen), Gasthof Žuka:
2 kleine Gemer je 0,60 Euro (siehe Kneipen-ABC)

Kleinstadt mit Prominenz: Der ehemalige Staatspräsident Rudolf Schuster kommt aus Medzev. Er stammt aus einer karpathendeutschen Familie.
Es gibt ein 4.000-Seelenstädtchen im Slovenský kras (dt. Slowakischer Karst, ca. 50 Kilometer westlich von Košice), das zwei Namen trägt: Medzev und Metzenseifen. Hier, so hatte uns Martin Gbúr erzählt, pflegen die Menschen noch einen alten deutschen Dialekt – das Mantakische (sk. mantáčtina). Mit großen Erwartungen auf eine sprachliche Kostprobe reisen wir an, werden aber, wie so oft in den ländlichen Gegenden der Slowakei, von leergefegten Straßen begrüßt. Wir beschließen, zunächst den Karpatendeutschen Verein aufzusuchen. Außer einem Schild finden wir auch dort jedoch nichts und niemanden vor. Ein Zettel klebt im Fenster, der darüber informiert, dass die deutsche Bücherei nur donnerstags von 16 bis 18 Uhr geöffnet hat.
Auf der Suche nach Menschen laufen wir nach Višný Medzev (dt. Obermetzenseifen). Eine Frau spricht uns auf der Straße an und fragt nach dem Grund unseres Aufenthalts. Wir erzählen ihr, dass es hier einen alten deutschen Dialekt gibt, den wir gerne hören wollen. Euphorisch deklariert sie, dass JEDER im Dorf mantakisch sprechen kann – außer ihr selbst. Sie ist, wie sie betont, eine čistá slovenka (dt. reine Slowakin). „Ty vieš po mantácky? (dt. Du sprichst doch mantakisch?)“ ruft sie einem Mädchen entgegen, das gerade des Weges kommt. Dieses schüttelt schweigend den Kopf, während uns die Frau zuraunt: „Na gut, sie spricht kein Mantakisch, sie ist ja auch eine Zigeunerin.“ Eine Dorfbewohnerin fährt auf dem Fahrrad vorbei. „He, počkaj (dt. warte!) – ty vieš po mantácky?“ ruft die Frau erneut. „Nie, nie! (dt. Nein, nein!)“ winkt die Radfahrerin ab und rauscht vorbei. Noch will die Frau nicht aufgeben und eilt schnurstraks in den nächsten Hinterhof. Nach einer Weile schlurft hinter ihr eine alte Dame aus dem Tor. „Grüß Gott!“ sagt diese zu uns und murmelt auf unsere Bitte hin schüchtern ein paar mantakische Phrasen, die wir jedoch kaum verstehen können. Sie entschuldigt sich, sie sei ein bisschen aus der Übung. Nach dem Tod ihres Vaters, der Deutscher gewesen war, habe sie niemanden mehr, mit dem sie mantakisch sprechen könne. Sie erzählt uns, dass sie und ihre Bekannten früher in Bratislava oder Prag immer deutsch gesprochen haben, wenn sie wollten, dass die Anderen sie nicht verstehen. Hinter ihren Rücken jedoch hätten die Leute ihnen zu Begreifen gegeben, dass sie auch deutsch sprechen. Damals habe jeder Deutsch gekonnt. „Außer mir!“, interveniert die andere Frau, „Ich bin eine Slowakin von Herzen!“ Die beiden schicken uns zurück in die Dorfmitte von Medzev: „Dort reden auf der Straße ALLE mantakisch.“
Wo, wenn nicht in der Kneipe, sprechen die Menschen so, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist? An einer Veranda hängt ein Schild, auf dem in altdeutscher Schrift das Wort „Gasthof“ angeschrieben ist.
Beim Betreten bleiben wir staunend stehen – tatsächlich sind an einem Tisch ein paar Männer in ein Gespräch auf mantakisch vertieft. Den Inhalt ihrer Sätze können wir zwar nicht verstehen, aber einzelne Wörter, wie „schwätz“ (reden) und „Mou“ (Mann) sind uns vertraut. Nach einer Weile spricht uns einer der Männer in einwandfreiem Hochdeutsch an und stellt sich als Georg Kosch vor. Er erteilt uns eine kleine Lehrstunde in Mantakisch. Nachdem er selbst ein paar Mal in Deutschland gewesen war, kommt der mantakische Dialekt seiner Einschätzung nach dem Bayerischen am Nächsten. „Den Praiß‘“, sagt er, „hab‘ ich nie verstanden.“ Wir lernen, dass „Schaib“ der Teller ist, „Mariaschel“ das Kartenspiel, „Grulln“ sagt man für die Kartoffeln und „Brambein“ für Schnaps (Branntwein). „Und was heißt auf mantakisch: Mein Bier schmeckt gut?“ fragen wir. „Mein Bier schmeckt gut!“ antwortet Georg Kosch und lacht.